Wir müssen hier raus!
Krautrock, Free Beat, Reeducation
Krautrock als Flucht vor Nachkriegsdeutschland
Mit »Wir müssen hier raus!« hat Wolfgang Seidel, Gründungsmitglied der Ton Steine Scherben, eine Gegenerzählung zu den inzwischen gängigen Darstellungen des Krautrock verfasst. Mit dem Wissen desjenigen, der dabei war, bei den Hausbesetzungen und Demos, den ersten Konzerten von Bands wie Cluster, Tangerine Dream und Ashra Tempel, legt Seidel ein Buch vor, das die alte Bundesrepublik wieder zum Leben erweckt. Mit all ihren Widersprüchen und Kämpfen, in der gerade deswegen entstehen konnte, was heute als Krautrock gefeiert wird und was damals ein Versuch war, den Soundtrack zur Revolution beizusteuern.
Die Revolution ist ausgeblieben, die BRD gibt es nicht mehr – und gestorben scheint ebenso die Utopie eines besseren Lebens, für das es sich zu kämpfen lohnt, auf der Straße wie im Tonstudio. Dabei sollte angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse die Parole noch immer lauten: »Wir müssen hier raus!«
Wolfgang Seidel zeichnet, ausgehend von diesem Lebensgefühl, dem Fluchtinstinkt der Jugendlichen, ein Bild der alten Bundesrepublik, das anders gefärbt ist als die vielen Gründungsmythen der ersten genuin deutschen Popkultur, des Krautrock, der eines vor allem nicht sein wollte: deutsch.